Mit der Universität Bern ist eine der ersten großen Installationen auf die neueste ILIAS-Version gewechselt. Seit dem 6. August läuft ilias.unibe.ch auf ILIAS 6 – mit neuem ILIAS-Look und angepasstem Skin. Wir haben heute mit Timon Amstutz gesprochen, der mit seiner Kollegin Yvonne Seiler den Umstieg realisiert hat.

Timon Amstutz ist stellvertretender Leiter des iLUB, der Supportstelle für ICT-gestützte Lehre und Forschung der Universität Bern, und außerdem Mitglied des Technical Boards des ILIAS-Vereins.

Die Uni Bern hat gestern ihre ILIAS-Installation auf die neue Version ILIAS 6 aktualisiert. War das Update viel Arbeit und hat alles gut geklappt?

Da wir stark in die Kernentwicklung für ILIAS 6 integriert waren, ist es zum Teil schwierig zu trennen, was Arbeit speziell fürs Update war und was für den Kern. Für den Kern war es eine gewaltige Aufgabe, ILIAS 6 an den Start zu kriegen. Ein grosser Teil der Arbeit war, mit der Community am gemeinsamen Konzept von einem LMS zu ziehen. Auch technisch gab es einige Hürden, da die Konzepte zum Teil grössere Anpassungen am System erfordert haben. Wissen und Erfahrungen daraus, haben dann wiederum beim Update unserer Installation geholfen.

Yvonne wusste zum Beispiel genau, wo der Skin für uns noch etwas angepasst werden musste. Ich wiederum wusste genau, wo die Schrauben sind, um das zu tun. Testing und Reporting von Plugins und Corefunktionen haben uns ebenfalls ziemlich beschäftigt. Auch da wussten wir zum Teil aber durch Arbeit am Core, wo die sensiblen Stellen sind. Hier können nun andere Institutionen von unserer Arbeit profitieren, da diese Hürden ja hoffentlich aus dem Weg geräumt sind.

Von anderen Hochschulen hört man, dass sie noch etwas mit dem Update auf 6 warten wollen. Warum habt ihr euch an eurer Uni für einen so frühen Umstieg entschieden?

ILIAS ist unser zentrales Lernmanagementsystem. Gerade in Zeiten von Corona hat es noch einmal massiv an Bedeutung gewonnen. Im letzten Semester waren pro Tag über 20.000 Personen auf ILIAS unterwegs. ILIAS hat diesen Härtetest gut gemeistert und ist stabil gelaufen. Die Feedbacks waren sehr positiv. Es wurde aber auch darauf verwiesen, dass besonders für Einsteiger*innen die Bedienung und Orientierung von ILIAS 5.4 schwierig ist. Diese Einschätzungen teilen wir. Und sie wurde uns auch durch UI/UX Untersuchungen bestätigt, die im Rahmen des ILIAS-6-Projekts durchgeführt wurden. In ILIAS 6 sind etliche Verbesserungen aus diesen Untersuchungen eingeflossen.

Wir sind überzeugt, dass ILIAS 6 die Wahrnehmung von ILIAS sowie dessen Bedienung erheblich verbessert. Wir sahen keinen Grund, mit diesen Verbesserungen länger zu warten. Unsere Studierenden und Dozierenden haben durch Corona mit vielen Schwierigkeiten rund um digitale Lehre zu kämpfen. Deshalb wollen wir sie mit einem gut zu bedienenden LMS so gut wie wir können unterstützen.

Was waren die größten Herausforderungen bei der Vorbereitung des Updates?

Bugs in Patches und Plugins aufzuspüren und zu beheben. Mit ILIAS 5.4 haben wir aus internen Gründen einige spezielle Anpassungen in unsere ILIAS-Version einbauen müssen, welche es nicht in den Core geschafft haben. Dafür haben wir auch bei diesem Update gezahlt und sind doppelt motiviert, diese auf die Dauer los zu werden. Ein Beispiel ist der Drag-and-Drop Upload von Dateien im Kalender. Das wäre vielleicht auch für den Core was, im Moment pflegen wir aber diese Entwicklung via einem Patch und zwei Plugins.

Über was werden sich eure Lehrenden und Studierenden bei ILIAS 6 wohl am meisten freuen?

ILIAS 6 ist mit Fokus auf Benutzer*innen konzipiert, welche noch keine ILIAS-Erfahrung haben. Die verwendeten Konzepte in der Metabar und Mainbar sind von anderen gängigen Webplattformen inspiriert, was externe Konsistenz erzeugt und dazu führt, dass sich Benutzer*innen auch in ILIAS schnell zurecht zu finden, ohne es vorher bedient zu haben. 

Die konsequente Minimierung von kognitivem Load ist ein wichtiger Teil bei Usability-Verbesserungen. Durch die Reduzierung von dauerhaft angezeigten Elementen – besonders in der Metabar – und die stärkere Fokussierung auf die für uns wichtigsten Funktionen in der Mainbar sind die für unsere Benutzer*innen wichtigen Features nun einfacher auffindbar. Ich selber benutze zum Beispiel seit dem Update Tags und Favoriten. Das habe ich vorher nicht gemacht. Yvonne wiederum ist nun täglich mit der Baumansicht am Navigieren. Davor war ihr diese zu weit weg, um als hilfreich erachtet zu werden. Die bessere Platzierung des Breadcrumbs und des Repository-Trees unterstützen zudem das mentale Model der Applikation. Das hilft Benutzer*innen zu erkennen, wo in der Applikation sie sich befinden. 

Zu guter Letzt hat ILIAS 6 grosse Schritte bezüglich Responsivität gemacht. Auf kleinen Screens ist die Mainbar so positioniert, dass die wichtigsten Funktionen gut per Daumen erreichbar sind. Die Buttons sind gross und sind per Finger gut bedienbar. Das wird auch Benutzern helfen, welche Mühe haben, präzise Bewegungen per Maus auszuführen.

Ihr habt in Bern den Umstieg auf ILIAS 6 erfolgreich vollzogen und auch euren Skin angepasst. Wenn Dich eine Kollegin oder Kollege einer anderen Institution fragen würde, wie man dem Umstieg auf 6 am besten meistert, was würdest Du empfehlen?

Jeder nicht mehr gebrauchte Patch ist ein guter Patch. Jedes Plugin, welches nicht mehr nötig ist, ist ein gutes Plugin. Wir profitieren bei jedem Update von jedem Feature oder jeder Verbesserung, für die wir die oft mühsame und kleinteilige Arbeit gemacht haben, um es in den Kern zu bringen. Sei es via PR (e.g. für Bugfixes oder Performance Verbesserungen) oder Feature Requests für neue Funktionen. Für alles, für das wir den Plugin-Weg gewählt haben, müssen wir zusätzlich arbeiten. Auch weil wir hier nicht vom umfassenden Community Testing profitieren können. Für Patches zahlen wir besonders teuer, weil diese oft sogenannte Merge-Konflikte erzeugen und besonders genau getestet werden müssen, da sie fehleranfällig sind. 

Weiter sollte im Vorfeld die Performance des System mit einem der Produktion möglichst 1:1 entsprechenden Testsystem geprüft werden. Bei jedem Update kommen neue Features hinzu, welche auf unterschiedlichen Installationen unterschiedlich reagieren. ILIAS 6 schlägt sich bei uns im Punkt Performance nicht schlecht, vor allem wenn man bedenkt, dass bei jedem Aufruf der Seite durch die vielen Infos in der Metabar etwas mehr Daten geladen werden. Allerdings sollte das besonders bei grossen Installationen vor dem Update noch einmal gründlich geprüft werden. Wir haben bei uns einzelne Features nur aus Performancegründen nicht aktiv. Die gleichen Features sind auf kleinen Installationen kein Problem und ein echter Gewinn. Falls die Anzeige einer bestimmten Ansicht aus nicht wirklich offensichtlichen Gründen lange dauert, kann es sich lohnen für diese Ansicht ein DB-Query-Profil zu erstellen (siehe Administration » Systemeinstellungen und Wartung » Allgemeine Einstellungen » Benchmarks) und danach evtl. einen Bugreport zu erstellen. So konnten wir zum Beispiel einige fehlende Indices aufspüren und in einem Fall sogar einen ganzen Block von Code, welcher unnötige Queries produziert, aufspüren.

Bezüglich Skin lässt sich mit wenigen Eingriffen Einiges erreichen. Als erstes geht es um das Farbkonzept. Wir haben bei uns ein sehr reduziertes Farbschema gewählt, das sich an das CI der Universität Bern anlehnt. Ziel war es, dass die Inhalte der Nutzer*innen mehr in den Vordergrund rücken, z.B. durch Bilder und Fotos in der Kachelansicht oder Texten in Lernmodulen. Diese sollten sich nicht mehr konkurrieren mit den Elementen, die ILIAS vorgibt. So haben wir auch die Buttons sehr zurückhaltend gestaltet, damit die eigentlichen Inhalte einer Seite (Objekte, Tabellen, etc.) in den Vordergrund rücken.

Ein zweiter wichtiger Schritt war für uns ein passendes Icon-System zu haben. Die in der Kachelansicht eingeführten Outlined Icons haben wir zum Anlass genommen unser ganzes Icon-System auf diesen linearen Stil umzubauen. Durch den reduzierten Stil dieser Icons wird das Gesamtbild entlastet und eigene Icons der Nutzer*innen passen besser zu den "normalen" Icons. Vor über einem Jahr hat ein Kollege von uns eine Art der Register-Darstellung gezeigt, die sofort gesetzt war für unseren ILIAS 6 Style. Die Register sind mit der visuellen Anpassung viel besser ersichtlich und wir haben versucht die Zusammengehörigkeit der Untermenüs noch mehr hervorzuheben.

Als dritter Tipp kann Yvonne hier nur mitgeben, dass es Sinn machen kann, sich an verschiedenen Stellen Inspirationen zu holen und sich Dinge zu merken, die einem gut gefallen und die einleuchtend sind. Hat man das grosse Ganze im Blick, sind es meist viele kleine Dinge die – mit etwas Sorgfalt und Fürsorge bedacht – zu einem passenden und einheitlichen Stil führen. Es gibt einen einfacher Hinweis, ob man auf dem richtigen Pfad ist: Wenn man merkt, dass man sich nicht mehr in das "alte" ILIAS einloggen und nur noch Zeit im neuen ILIAS 6 verbringen möchte. Es gibt doch nichts Schöneres als am Tag nach dem Update aufzustehen und sich zu freuen, mit dem neuen ILIAS 6 zu arbeiten.

Vielen Dank, Timon, für das Gespräch. Und einen herzlichen Dank an Yvonne, die die Screenshots bereitgestellt hat. Jetzt habt ihr beide euch aber auch ein paar Tage Ausspannen verdient.