ILIAS-Blog
Fortschritte beim Thema Barrierefreiheit in ILIAS
Barrierefreiheit bzw. Accessibility ist als Ziel in den letzten Jahren immer mehr ins öffentliche Bewusstsein gerückt – auch in der ILIAS-Community. Neben einer eigenen Special Interest Group zum Thema gibt es auch eine UI/UX/A11y-Expertengruppe, welche die Benutzeroberfläche in Bezug auf Anwenderfreundlichkeit und Barrierefreiheit verbessert.
Wir haben uns mit unserem SIG-Leiter Timon Amstutz und unserer Accessibility-Expertin Kristina Auerswald über den aktuellen Stand der Barrierefreiheit in ILIAS unterhalten.
Ihr beide beschäftigt Euch nun schon seit längerer Zeit mit dem Thema Barrierefreiheit in ILIAS. Wie stehen wir mit unserer aktuellen Software-Version da – absolut, aber auch im Vergleich mit anderen Systemen?
ILIAS hat im letzten Jahr im Bereich Accessibility große Fortschritte gemacht. Besonders in ILIAS 7 konnten diverse Ungereimtheiten beseitigt werden. Seit rund einem halben Jahr lassen sich die Uni Bern und die Hochschule Luzern von der Firma ADWebKey beraten. Dabei konnten in diversen Tests weitere Problemfelder eruiert und beseitigt werden. Diverse Screens (z.B. der Login oder die Suche) weisen fast keine Fehler mehr auf. In einzelnen Services und Modulen wartet hingegen noch einiges an Arbeit auf uns. Die erzielten Fortschritte wurden uns auch von ADWebkey bestätigt (siehe angefügtes "Progress Statement" am Ende dieses Beitrags). Dort wird erwähnt, dass im letzten Audit nur noch "minimale Probleme bei der Einhaltung der Vorschriften" festgestellt wurden. Wir rechnen allerdings damit, dass bei einer Ausweitung der Testbereiche noch weitere Problemfelder sichtbar werden.
Für einen Vergleich bietet sich Moodle an. Moodle lässt ich ebenfalls von ADWebKey beraten und einzelne Bereiche immer wieder testen. Allerdings verfahren sie – soweit wir das verstehen – mit einer leicht anderen Strategie, da dort mit einem stark reduzierten Kern geprüft wird. In unserem Vorgang in ILIAS versuchen wir, eine möglichst hohe Testabdeckung von verschiedenen Services und Modulen zu erreichen – was den Weg wahrscheinlich etwas länger werden lässt.
Vergleiche mit weiteren Systemen sind nicht ganz einfach, da zum Teil nur Bereiche von Applikationen geprüft werden, oder die Applikationen für die Prüfung so konfiguriert sind, dass die Prüfung wesentlich einfacher ausfällt. Ein vollständiges Bild erhält man erst, wenn man die tatsächlich genutzte Plattform der eigenen Institution mit den jewieligen Einstellungen einem Audit unterzieht.
In dem von Euch erwähnten Zwischenbericht hebt Amanda Mace von ADWebKey drei Problemfelder hervor: die Tastatursteuerung, die Größe von Klickzielen und Zeitbeschränkungen. Hierzu möchte ich jeweils kurz etwas mehr erfahren.
Die Steuerungsmöglichkeiten von ILIAS 7 mit der Tastatur wurden meiner Wahrnehmung nach bereits stark verbessert. Sind wir hier bereits auf einem befriedigenden Niveau? Wenn nein, wo liegt die größte Herausforderung?
In der Tat gab es ganz besonders in diesem Bereich große Verbesserungen. Im letzten Audit konnten im Basis-Layout (der Teil, welcher bei allen Seiten fast gleich ist), keine Probleme mehr festgestellt werden. In einzelnen Services und Modulen wird es aber immer noch Problembereiche geben.
Die meisten Computernutzer lernen früher oder später die wichtigsten Hotkeys ihrer Betriebssysteme und Apps. Wie geht es hier in ILIAS weiter – und wie kann man die Tastatursteuerung in ILIAS am besten ausprobieren und erlernen?
Die Hotkeys werden mit ILIAS 8 abgeschafft. Es hat sich in der Kommunikation in der SIG gezeigt, dass diese mäßig nützlich waren und kaum verwendet wurden. Viel nützlicher und einfacher zu verwenden sind Screenreader Access Keys, welche für jede Webapplikation gleich einsetzbar sind.
Screenreader sind mächtige Tools, deren effizienter Einsatz einiges an Übung verlangt. Wir freuen uns, dazu einen entsprechenden Workshop mit Amanda Mace von ADWebKey auf der kommenden DevConf ankündigen zu können.
Falls trotzdem mal die Maus keine Option ist – mit den Tasten „Tab" und „Return“ sollten alle Bereiche der Seite angesteuert werden können. Dies ist auch ein guter Test, ob eine Funktion grössere Probleme im Bereich Tastatursteuerung aufweist.
Das Problem der Größe von Klickzielen („Target sizing“) ist den meisten Smartphone-Nutzerinnen und Nutzern sicher schon begegnet. Ein Klassiker: Man will eine nervige Werbung schließen, tippt vermeintlich auf das winzige „Schließen“-Symbol – und wird prompt zum Werbeträger weitergeleitet.
In ILIAS kommen ähnliche Probleme ganz ohne finstere Intentionen zustande: Das System ist komplex und einige Screens sind in der Tat mit vielen Klickzielen gefüllt. Wie ist hier der Stand der Dinge?
Mit ILIAS 6 wurde das Hauptmenü wesentlich optimiert. Die Buttons sind nun viel größer und auch auf dem Smartphone einfach zu erreichen. In einzelnen Services und Modulen liegen aber noch größere Problembereiche vor. Beispielsweise weist die Kalenderansicht in der rechten Spalte diverse Buttons bzw. Links auf, die zu klein sind.
Das Thema der Zeitbeschränkungen hat mich zunächst etwas überrascht. Es wirkt so auf mich, als sei das Problem hier weniger das LMS an sich als – zum Beispiel – ein zu straffes Test-Design. Welche technischen Hürden gilt es hier noch zu überwinden?
Hier gibt es in der Tat nicht so viele Probleme. In einem Audit wurde uns ein Session-Timeout ohne vorherige Benachrichtigung zum Verhängnis. Das konnte nun aber dank entsprechenden Einstellungen aus dem Weg geräumt werden. Insgesamt ist es wichtig, sich besonders in der Konzeptionsphase bewusst zu sein, dass zeitkritische Workflows oder maximale Bearbeitungszeiten für Nutzerinnen mit Screenreader schnell zu einem Problem werden können.
Als Community-Projekt hat ILIAS sehr viele Mitstreiter aus den verschiedensten Ländern, Arbeitsfeldern und Institutionen. Etliche davon beteiligen sich an Weiterentwicklungen, Feature Requests usw. Wie können wir gemeinsam dazu beitragen, ILIAS barriereärmer zu machen?
Wir sollten Accessibility als fixen Bestandteil von all unseren Schritten im Entwicklungsprozess verstehen. Dies beinhaltet sowohl die Konzeptions- als auch die Programmierphase – und natürlich ganz besonders das Testen von ILIAS (siehe auch „Accessibility Process"). Die Accessiblity-Checklist gibt einen guten Überblick, was dabei beachtet werden muss. Natürlich freuen wir uns auch über rege Mitarbeit in der SIG!
Welche Arbeit macht Ihr in der SIG Accessibility und wie oft trefft Ihr Euch?
Je nach anstehender Arbeit treffen wir uns alle 14 Tage oder einmal im Monat online. Die Termine werden jeweils hier veröffentlicht. Wir besprechen dort kommende Features, planen Audits und diskutieren Lösungen und Fortschritte für die erkannten Probleme.
Wenn Ihr einen Wunsch zum Thema Accessibility an die ILIAS-Community richten könntet, welcher wäre das?
Accessibility in allen Schritten des Entwicklungsprozesses von Anfang an mit zu berücksichtigen. Wenn Probleme im schlimmsten Fall erst nach dem Release erkannt und gemeldet werden, kann das zu schwierigen Situationen führen, weil dann Lösungen oft nicht mehr ganz so einfach integrierbar sind. Weiter wären wir froh über mehr aktive Mitstreiterinnen und Mitstreiter in der SIG sowie über Funding, um einzelne Problembereiche gezielt angehen zu können.
Kristina und Timon, vielen Dank für diesen Einblick – und für Eure Arbeit!