ILIAS-Blog

Neuigkeiten und Hintergründe zu ILIAS - dem Open Source LMS

E-Learning an Schulen in Zeiten von Corona

Kruse, Fabian [Fabian], Kunkel, Matthias [mkunkel] - 21. Jul 2020, 11:10

Seit Beginn der Corona-Pandemie hat E-Learning auch an Schulen enorm an Bedeutung gewonnen. Dabei hat die ILIAS-Community mit vereinten Kräften geholfen, möglichst viele Schulen mit einem vorkonfigurierten LMS zu versorgen. Doch auch vor Corona haben bereits etliche Schulen auf ILIAS gesetzt - und konnten sich glücklich schätzen, der Krise gut vorbereitet zu begegnen.

Foto: Volker Schmidt von der Lübecker Ernestinenschule
Volker Schmidt von der Lübecker Ernestinenschule
Volker Schmidt ist Lehrer für Mathematik, Physik und Darstellendes Spiel an der Ernestinenschule in Lübeck. An dem Gymnasium in der Lübecker Altstadt war man schon seit langem auf der Suche nach einem System, das die Kommunikation erleichtern sollte. Da eine zentrale Lösung der Stadt Lübeck auf sich warten ließ, entschied eine AG "Digitalisierung an der Ernestinenschule" unter Leitung von Schmidt sich dazu, selber tätig zu werden:

"Wir waren bereits seit mehreren Jahren auf der Suche nach einer geeigneten Plattform. Über Gastzugänge an einer benachbarten Schule konnten wir ILIAS kennenlernen - und waren schnell überzeugt."

Im Frühsommer 2019 fiel die Entscheidung für das Open-Source-LMS. Um Zeit und Kosten zu sparen, entschied man sich an der Ernestinenschule allerdings gegen eine selbst gehostete Installation. Stattdessen ist die Schule dem ILIAS-Verein beigetreten. Als Vereinsmitglieder können Schulen im Rahmen des SchuLIAS-Projekts einen kostenfreien ILIAS-Mandanten nutzen, der auf einem Vereinsserver läuft. So konnte die Ernestinenschule bereits nach den Herbstferien mit ILIAS durchstarten.

"Vor Corona brauchten wir vor allem eine digitale Kommunikationsplattform. Dies galt sowohl für den Austausch zwischen den Lehrkräften als auch zwischen Lehrern und Schülern. Auch der Austausch von Dateien sollte in einem gesicherten Rahmen möglich sein. WhatsApp und Email wollten wir dafür nicht mehr verwenden."

Der Arbeitsaufwand bei der Umsetzung sollte nicht zu groß werden. Also entschied man sich an der Ernestinenschule für eine schrittweise Einführung von ILIAS. Volker Schmidt und René Sondersorg übernahmen die Administratorenrollen und richteten zunächst Zugänge für die gesamte Lehrerschaft ein. So konnten sich die Lehrkräfte in Ruhe mit ILIAS vertraut machen und eigenverantwortlich Kurse und Zugänge für ihre Schülerinnen und Schüler anlegen.

Etwa ein Viertel des Kollegiums setzte ILIAS von Beginn an ein. Dabei waren die Möglichkeiten ganz bewusst begrenzt worden. Innerhalb einer losen Kategorienstruktur gab es zunächst nur folgende Möglichkeiten:
  • das Anlegen von Kursen und Gruppen
  • die schnelle Verwendung von Dateiordnern, in die Schüler eigene Dateien hochladen konnten
  • die Erstellung von Blogs für den Austausch in der Klasse und zur Dokumentation des Unterrichts
Schon bald nach Beginn wurde die Verwendung von Chats nachgefragt. Also wurde das Chat-Objekt in ILIAS aktiviert und seitdem rege genutzt. In der Anfangsphase waren regelmäßig etwa 100 Schülerinnen und Schüler auf der Plattform, die dort ihre Hausaufgaben und weiterführende Materialien fanden.

Doch die Nutzerzahlen sollten schon bald rapide in die Höhe gehen…

Mit ILIAS durch die Corona-Krise

Am 13. März 2020 wandte sich Bildungsministerin Karin Prien in einem Brief an die Schulen im Land Schleswig-Holstein: "Ab Montag, den 16. März 2020 findet […] kein Unterricht mehr statt. Schulfahrten und sonstige schulische Veranstaltungen sind ab sofort untersagt."

Volker Schmidt sieht es als großes Glück an, dass seine Schule ILIAS bereits eingeführt hatte und alle Lehrer mit Zugängen versorgt waren. Ein großer Teil der Lehrerschaft habe ILIAS nach der Verkündigung der Schulschließungen sofort eingesetzt. Die wenigen Skeptiker seien in den folgenden Wochen ebenfalls eingestiegen - bis ausnahmslos alle Lehrkräfte das System genutzt hätten: "Es wurden schnell die Vorteile von ILIAS gesehen. Wir haben sehr viele positive Rückmeldungen bekommen. Unsere Lehrer waren überrascht, wie gut die Plattform funktioniert und was damit alles möglich ist."

Bald wurden weitere Features nachgefragt. Die ILIAS-Administratoren an der Ernestinenschule kamen diesen Wünschen gerne nach und haben immer mehr Objekte aktiviert. Im Kollegium gebe es mittlerweile regen Austausch über die Nutzung von ILIAS - im virtuellen Lehrerzimmer und über das dort befindliche digitale Mitteilungsbuch: "Das analoge Mitteilungsbuch aus der Zeit vor Corona werden wir wohl bald abschaffen - und ausschließlich ILIAS hierfür einsetzen."

Da Volker Schmidts Abiturklassen nach den Prüfungen wegfielen, hatte dieser genug Zeit, um Anfragen zum System schnell zu bearbeiten: "Schnelle Reaktionen waren in dieser Phase ganz wichtig! Wenn Probleme auftraten, konnten wir diese in kürzester Zeit beheben." Dies habe zu der großen Akzeptanz von ILIAS beigetragen.

Zwischen Freiheit und vorgegebenen Strukturen

Bereits kurz nach den Osterferien waren über 90% der Schülerinnen und Schüler in ILIAS angemeldet und aktiv: "Das war nicht für alle einfach. Gerade die unteren Jahrgangsstufen brauchen immer noch Unterstützung durch die Eltern. Aber auch die Jüngeren lernen den Umgang mit der Plattform sehr schnell."

Ein Problem sei zudem gewesen, dass es am Anfang keine einheitlichen Zugänge zu Informationen in ILIAS gegeben habe. Es fehlte eine klare und übersichtliche Struktur. Nach Beschwerden aus der Schülerschaft haben Schmidt und Sondersorg dazu Vorschläge zur Orientierung vorgegeben. Jahrgänge, Klassen und klassenübergreifende Kurse sind in ILIAS über unveränderliche Kategorien abgebildet. So weiß inzwischen jeder, wo er die benötigten Materialien und Übungen schnell findet.

"Lehrer können in den Kategorien nun immer einen Dateibriefkasten und einen Ordner mit eigenen Materialien anlegen. Außerdem gibt es Foren zur Kommunikation und Übungs-Objekte, die es den Lehrkräften erlauben, schnell Feedbacks zu geben." 

Zu Beginn der Coronazeit seien auch die Aufgabenstellungen manchmal nicht klar genug für einige Schülerinnen und Schüler gewesen. "Hier sammeln wir Erfahrungen und lernen, damit umzugehen. Sicherlich muss man auch im E-Learning mit jüngeren Schülern anders lernen als mit älteren. Wir sehen das als Prozess."

Videokonferenzen mit BigBlueButton

Während der Schulschließungen kam schnell der Wunsch nach einem Videokonferenzsystem auf. Glücklicherweise ist die Integration solcher Systeme in ILIAS üblich und über Plugins technisch leicht umzusetzen. Ab Mai konnte die Ernestinenschule hierfür BigBlueButton nutzen. "Einige Lehrer hatten zunächst andere Software verwendet, die uns jedoch aus datenschutzrechtlicher Hinsicht problematisch erschien. Die einfache Nutzung von Videokonferenzen direkt in ILIAS gefällt uns super." 

Als erstes wurde eine Testkonferenz im Kollegium durchgeführt. Schnell bemerkten die Administratoren, dass die Einstellungen mit Bedacht gewählt werden sollten: "Anfangs konnte jeder Benutzer die Konferenz nicht nur verlassen, sondern auch beenden - im Ergebnis sind also immer wieder alle Benutzer rausgeflogen!" Dies sei laut Schmidt eine wichtige Erfahrung für die Lehrer gewesen - und die Vorbereitung half, im Unterricht ähnliche Stolpersteine zu vermeiden.

Mittlerweile gibt es drei Arten von Konferenzräumen mit unterschiedlichen Nutzerrechten. Diese liegen als Objekte im "Lehrerzimmer" in ILIAS und können von dort aus frei kopiert und genutzt werden.

Unterschiedliche Fächer, unterschiedliche Einsatzszenarien

Volker Schmidt berichtet, dass seine Abiturienten sehr selbständig waren. Sie fühlten sich gut versorgt und benötigten wenig Hilfe bei der Arbeit mit ILIAS und der eigenständigen Vorbereitung ihrer Prüfungen: "Ich habe nur Materialsammlungen und Übungen eingestellt."

In seiner Physik-Klasse arbeitet Schmidt gerne mit Videos. Da die Ladezeiten im ILIAS-eigenen Mediacast leider zu langsam waren, wurden die Videos allerdings auf externe Streaming-Plattformen ausgelagert. Bei vielen gleichzeitigen Nutzerzugriffen zeigen sich hier die Grenzen eines geteilten Servers.

"Ich habe für den Physik-Unterricht ganze Unterrichtsstunden aufgenommen. Hierfür habe ich Explain Everything auf dem iPad benutzt, eine digitale Whiteboard-Software. Die Screencasts kann ich dann meinen Schülern zur Verfügung stellen. In den anschließenden Umfragen habe ich sehr gutes Feedback bekommen: Eigener Unterricht wurde als hilfreicher empfunden als lediglich fremde Physik-Videos zu verlinken. Denn ich kann dabei andere Schwerpunkte setzen und genau auf den Erklärungsbedarf in meiner Klasse eingehen."

Das Erstellen der Videos habe nicht viel länger gedauert als eine Unterrichtsstunde. Und auf die Feedbacks aus den Umfragen - etwa zur Mikrofon-Qualität und zur Sprechgeschwindigkeit - konnte Volker Schmidt schnell reagieren.

Im Darstellenden Spiel ist reines E-Learning hingegen schwieriger umzusetzen: "Wir können vor allem Theorie machen. Selbst Treffen zu zweit waren ja lange Zeit nicht möglich, so dass die Schüler keine eigenen Szenen spielen und aufnehmen konnten." Stattdessen vergab Schmidt Aufträge, bei denen mit gebastelten Figuren Szenen dargestellt, passende Hintergründe oder Musikstücke gesucht werden mussten. Die Umsetzung konnte dann gut in ILIAS dokumentiert werden.

Rückmeldungen gibt Volker Schmidt seinen Schülern am liebsten über das Übungs-Objekt in ILIAS. Dies gehe deutlich schneller, als einzelne Mails zu schreiben. Allerdings gibt er zu, dass die Übungs-Feedbacks bei der Betreuung von sieben oder acht Lerngruppen vom Umfang her nur schwer zu bewältigen seien.

Lernen mit ILIAS: Jetzt und in Zukunft

Ein großer Wunsch aus der Schülerschaft betrifft die bessere Nutzbarkeit von ILIAS auf Smartphones: "Die Schüler wünschen sich eine App. Zwar funktioniert ILIAS auch im Browser ganz gut, aber manche Ansichten sind einfach nicht für kleine Bildschirme optimiert." 

Dieser Wunsch ist wohl in der ganzen ILIAS-Community verbreitet. Und mit Version 6 hat ILIAS hier wieder einen großen Schritt nach vorn gemacht. Doch auch die Entwicklung von ILIAS 7 und die Pegasus-App sorgen für eine neue Dynamik - von der hoffentlich auch die Ernestinenschüler profitieren werden. Denn dort will man nach den guten Erfahrungen mit ILIAS auch zukünftig mit dem LMS arbeiten.

"Die Lehrkräfte haben den Wunsch geäußert, unbedingt bei ILIAS zu bleiben." Auch wenn der Schule nun ein anderes System - mit entsprechendem Support - vom Schulträger angeboten werde, wolle man nicht wechseln: "Wir können ILIAS nur empfehlen. Es bietet sehr viele Möglichkeiten, um gemeinsam digital zu arbeiten und zu lernen." 

Inbesondere zu Beginn der Schulschließungen war die Performance und Erreichbarkeit von ILIAS zudem deutich besser als die von anderen Systemen: "Wir hatten praktisch keine Probleme, von einem kurzen Aussetzer abgesehen. Wir konnten auf ILIAS kontinuierlich arbeiten, ohne rauszufliegen oder andere Probleme zu haben."

Entsprechend positiv waren auch die Rückmeldungen aus der Elternschaft: "Die Eltern waren begeistert, wie gut unsere Schule auf die Corona-Zeit reagieren konnte." Besonders positiv wurde wahrgenommen, dass nach kurzer Zeit das gesamte Kollegium auf ILIAS gesetzt habe. So mussten die Schüler nicht mehrere Kanäle verwenden.

Und damit die Eltern in Zukunft nicht mehr bei ihren Kindern über die Schulter schauen müssen, was mit ILIAS alles möglich ist, haben Volker Schmidt und einige Kollegen einen Vorschlag gemacht: Auch die Eltern dürfen bald auf die Plattform. Statt Emails und Messengern sollen sie ab dem nächsten Schuljahr ILIAS zur Kommunikation nutzen können.


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